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FREE FLOW OF INFORMADNESS

LABOR 2 - Editorial

CYBERSPACE IS UNDER ATTACK. Seit wenigen Jahren ist im Datenland - dem 8. Kontinent der Erde - der erste virtuelle Weltkrieg im Gang. Immer mehr zerstoererische Virusprogramme breiten sich auf den Disketten und Festplatten der internationalen Electronic Community aus.

Harmlose Scherze in der Art des historischen Keks-Virus ("I want a cookie"), idealistische Performances a la MacMag- Virus ("Peace to all people on earth") oder Nervereien wie der kleine Roboter, der einem immer den Mauspfeil wegschiebt, gehen unter in einer Flut hinterhaeltiger Programme.

Dieser Krieg erscheint auf seltsame Weise friedlich: Wenn Computerviren zuschlagen, wird niemandem ein Haerchen gekruemmt. Auch die Maschinen bleiben unbehelligt. Viren fahren mit Information ab, dem "stofflosen Rohstoff" des CyberSpace, meist entweder brachial, indem Disketten oder Festplatten physikalisch formatiert werden, oder in der Art elektronischer Scharfschuetzen, indem das Inhaltsverzeichnis - die File Allocation Table (FAT) oder Partition Table (PT) - und damit der Informations- Zusammenhang weggeballert wird; was uebrigbleibt, ist ein unloesbares binaeres Kreuzwortraetsel. Die Arbeit von Tagen, Wochen oder Monaten wird effizient, still und blitzschnell vernichtet.

Viren: Die begriffliche Gleichsetzung von Mikroorganismen mit Mikroschaltfolgen ist zugleich anschaulich und missverstaendlich. Ein Computervirus ist nichts Naturgegebenes. Das hat jemand programmiert und in Umlauf gebracht. Wer? Jekyll & Hyde auf elektronisch? Das nette Assembler-As von nebenan, in dem irgendwann das sogenannte Boese durchknallt? Ein Allmachtsphantast, der es endlich haben muss, auf koerperlose Weise weltweit destruktiv sein zu koennen? Cyberspace, die "Welt ohne Dinge", scheint fuer einige eine Region zu sein, um unberuehrt von jedem Verantwortungsgefuehl herumzuviechen.

Es gibt serioese Gruende, sich mit Viruscode zu beschaeftigen. Dass dabei auch unter LABORbedingungen aeusserst sicherheitsbewusst vorzugehen ist, belegen selbstdurchseuchte Softwaresammlungen von Virus- Experimentatoren oder durchgebrannte Programme wie etwa der XMas-Virus, der Ende 1987 das halbe BitNet lahmlegte.

Leute, die abgefeimte, boesartige Virusprogramme schreiben und sie verbreiten, sind keine GUTEN Programmierer, sondern Arschloecher. Sie sind weder "Terroristen" noch digitale Guerilleros, da sie keine erkennbaren weltanschaulichen Ziele verfolgen. Es ist ihnen egal, wer auf ihre elektronischen Tretminen steigt - Hacker, HobbyUser, Firmen, Universitaeten - Hauptsache, es entsteht Schaden. Sie suchen den Kybernetic Kill Thrill und verbreiten das Irrationale und Wahnwitzige in den logischen Stroemen der Computerwelt. Es handelt sich auch nicht, wie man vielleicht meinen koennte, um eine radikale Form moderner Kulturkritik. Diese feigen Heckenschuetzen diskreditieren alle idealistischen, kreativen und ambitionierten Versuche, eine vielfaeltige und offene Computerkultur zu entwickeln.

SOPHISTICATION LATER. Im Lauf der naechsten Ausgaben werden wir die Aufmerksamkeit des geneigten LABOR-Lesers auf die verschiedenen Gattungen von Virusprogrammen lenken, auf Untersuchungen zur Anfaelligkeit heute gaengiger Betriebssysteme (sieht schlecht aus) und ggf. auf Konzepte, denen zufolge zahme Viren konstruktiv eingesetzt werden koennen.

ZUERST DIE DINGE FUeR DEN ALLTAG: Virus-Frueherkennung, Erste Hilfe und Moeglichkeiten der Immunisierung. Mit der Informations-Strecke, die wir fuer diese LABOR-Ausgabe zusammengetragen haben, soll ein erster, vor allem praktisch verwertbarer Ueberblick gegeben werden. Obwohl den Mitgliedern der LABOR-Crew aus eigenen Erfahrungen, Papierquellen und vor allem deutschen (Geo, Zerberus, sub.netz) und US-Netzen (The Source, CompuServe, DelphiNet) sozusagen allerlei in die Netze gegangen ist, fehlt noch einiges. Wir moechten auch die LABOR-User einladen, mit Ergaenzungen, Berichtigungen und aktuellen Meldungen zum Thema beizutragen.

Ebenso waere es in unserem Sinne, wenn SysOps und Leute, die in anderer Form mit Public Domain zu tun haben, unsere erste Version eines europaeischen "Dirty Dozen"- Verzeichnisses aufgreifen und weiterfuehren wuerden. Es geht darum, ahnungslosen Usern bittere Erfahrungen zu ersparen; darum, zu vermeiden, dass die Mailboxkultur im allgemeinen und die Public Domain im besonderen in den Ruf elektronischer Fiebersuempfe geraet; und es geht darum, den in der Oeffentlichkeit ohnehin arg strapazierten Begriff 'Hacker' nicht noch weiter in Misskredit geraten zu lassen.

Oeffentlichkeit und Hacker? Achja - BASTARD. Natuerlich mussten wir vom LABOR-Realitaetsdienst uns die drei TV- Folgen einsaugen, um zu kontrollieren, wozu die Phantasie moderner Drehbuchautoren sich inspirieren laesst und aufschwingt. Leider konnte man vor lauter Leichen und Wohnungsetagensprengungen die Passwoerter in den farbigen Bildschirmzeichensaetzen nicht mehr recht erkennen. Vajisset.

DAS LEBEN SCHREIBT WIEDER MAL DIE HEISSEREN GESCHICHTEN. Aktuelle Meldung, kurz vor Drucklegung dieser LABOR- Ausgabe: "Deutsche Spionageabwehr enttarnt Agentenring." Drei deutsche Hacker, teils gut bezahlt, teils erpresst ("einer von ihnen drogensuechtig"), sollen, gefuehrt von zwei KGB-Mitarbeitern, "tausende von Rechnercodes, Passworten und Computerprogrammen in die Sowjetunion geliefert haben. Diese haetten dem KGB Zugang zu den wichtigsten Computerzentren der westlichen Welt eroeffnet".

"Hacker" erscheinen neuerlich eine Stufe diffuser. Nach "kreative Verrueckte" und "kriminelle Chaoten" gibt es jetzt eine neue Variante zur Hacker-Psychologie: "Ostspione". Wir kriegen es nicht mehr hin, eine Dokumentation und Einschaetzungungen zur Sache in diese Ausgabe aufzunehmen. Eine OFFENE Dikussion zu fuehren, gerade da man es hier mit Machtgruppen zu tun hat, die von Geheimniskraemerei leben, ist unumgaenglich. Mehr in der naechsten Ausgabe.

keep on hacking Die LABOR-Crew

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IMPRESSUM

LABOR - Zeitschrift fuer World Processing. Zweite Ausgabe, Maerz 1988

SNAILMAIL: Hospitalstrasse 61, 0 Hamburg 50

E-MAIL: Geo: GEO1:P.GLASER, GEO1:WINNIFRED, MBK1:LABOR uucp: labor@exhh, winni@exhh Zerberus: poetronic@chaos-hh.zer

GAeSTE: EXHH Mbx: Tel. (040) 555 13 75 (300/1 /2400 bps 8N1), login: gast.

BANKVERBINDUNG: Postgiroamt Hamburg, BLZ 100 20, Konto Nr. 505398-208 (P. Glaser)

MITARBEITER: Jens Ahlfeld (DEJA VU), BARNY, Knut Chorazy (MCS-Team; Das System lebt), CHRIS (Save 64er,8,1), Kurt Dahlke (PYROLATOR, Duesseldorf; Der Plan. Musik), Volker Dittmer (RAINER ZUFALL; Viren, Neuropa-Karte), Rainer Eckhardt (EXROM; Sysop exhh), Helge Th. Eggers (STANISLAW), A. Eichler (Recht), Jona Gebauer (Satz & Meer), Peter Glaser (POETRONIC; V.i.S.d.P.), Sven Gohdes (WINNIFRED; Labor Director auf exhh.uucp), Anke Goos (Dortmund, unido; "Adressierung fuer Einsteiger: EUnet/Usenet"), Frank Griffel (LARRY; Stress & allg. Beschleunigungen), Frank Heinzius (FRIMP; Viren, Neuropa-Karte), Sven Jargstorf (KLIMPER; Musik), JASH, JIMMY (One Step Beyond), Sabine Jordan (BINE), Michael Koehler (SNAKE), Holger Koepke (Vertrieb, Recherche), Sibylle Kramer (VANESSA), Matthias Kuehn (MAKU; Organisation, Hardware), Juergen Meyer (THE FRONTIER; Sysop Ach-wie-hiess-die-Box-nochmal), Andy Mueller-Maguhn (Das Chaos lebt), J. A. Nicolas (ESCO; Koordination "uucp, usenet, subnet"), PADELUUN und RENA TANGENS (Bielefeld; Viren, rahmenlose Kunst), RALF (Sysop C.A.S.H.), Klaus Rennecke (MARION, Berlin; MCS-Team), SANDY (sofa away), Reinhard Schrutzki (GOBLIN; "Ein Mikrocomputer, ein Geigerzaehler und ich", "Datex-Oje", Neuropa-Karte), ToRi (LAURIN), Manfred Vallen (DEEP, Sysop Turbo 2), WENDY (Bibibi), Christian Wolff (CHRISTIAN@FGM.ZER, Goettingen), WOLFGANG (Tesla, Pyramiden), Rolf Wuerdemann (ROWUE).

GRAFIK: LABOR-Logo von Chris Scheuer. Reset-Wichtel: M. Klug (altger/mu!aragon!cptmnt, aus: subnet/sub.test)

Wir freuen uns ueber Anregungen, Ideen und Manuskripte. Zusendungen per Papierpost bitte nur mit frankiertem Rueckumschlag, andernfalls uebernehmen wir keine Gewaehr.

LABOR wird nicht gemacht, um Gewinn zu erwirtschaften. Nachdrucke zu NICHTGEWERBLICHEN Zwecken sind MIT QUELLENANGABEN gestattet.

 

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